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Wir begleiten und helfen dem Phoenix Barden auch in Kapitel 2 im Kampf gegen den Rabenkönig! (hier gehts zurück zu Kapitel 1)

Inhaltsverzeichnis
Die Wiederbelebung

Letztes Update am 31.05.2024

Leise knisterte das Lagerfeuer am Rande der Stadt Talfurt, ein schwacher Trost in einer Welt aus Eis und Dunkelheit. Jede Nacht versammelten sich die Menschen um dieses spärliche Licht, suchten Wärme und Halt in der Gemeinschaft, während sie den gnadenlosen Winter zu überleben versuchten. Die erbarmungslose Kälte hatte ihre Herzen ergriffen, und jeder Tag war ein Kampf gegen das Erfrieren und den Hunger. Nachdem der Rabenkönig den Eiszauber über das Land gesprochen hatte, schien jede Hoffnung auf Rettung erloschen. Der Phoenix Barde, ihr großer Held, war im Kampf gefallen und mit ihm starb auch der letzte Funken Zuversicht. Jetzt blieb den Bewohnern von Talfurt nur noch die Erinnerung an wärmere Tage, während sie sich aneinanderklammerten, um dem Tod zu trotzen.

Als das Feuer an diesem Abend zu knistern begann, wusste jeder, dass es keine gewöhnliche Nacht war. Im Schein des Feuers sah man den kalten Atem der Umstehenden. Die Menschen rückten näher zusammen, suchten Trost und Hoffnung in der Gemeinschaft, doch in ihren Herzen wuchs die Angst. Sie wussten, dass sie allein gegen die Dunkelheit und die Kälte kämpfen mussten und ohne ihren Helden schien dieser Kampf aussichtslos.

Ein hagerer, bärtiger Mann schritt durch die Reihen der Menschen und verteilte harte, vertrocknete Brotlaibe unter den Hungernden. „Hier“, sagte er mit sanfter Stimme zu einer verhärmten Frau. „Es ist nicht viel…“, fügte er stockend hinzu, seine Augen voll Mitgefühl. „Habt Dank!“, antwortete die Frau, ihre Stimme brüchig vor Erschöpfung, während sie den Laib Brot entgegennahm. Der Mann beobachtete, wie sie zitternd einen alten Topf aus ihren wenigen Habseligkeiten hervorholte und vorsichtig etwas Wasser hineingoss. Ihre Blicke trafen sich erneut. „Hoffentlich weicht es auf, bevor es zufriert“, murmelte sie niedergeschlagen und schaute auf das klägliche Mahl.  Dann drehte sich ihr Kopf und ihr Blick wanderte auf das Bündel neben ihr. „Ist ja gut, mein Kleine“, sagte die Frau sanft und nahm das Bündel in ihre Arme. Liebevoll begann sie leise zu summen, ein tröstendes Wiegenlied, das in der klirrenden Kälte widerhallte. 

Der Mann wandte sich ab, seine Gedanken schwer von der erdrückenden Last der Verzweiflung, die über Talfurt lag. „Seid gesegnet, mein Herr Teremir “, flüsterte die Frau, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. Teremir setzte ein freundliches Lächeln auf und nickte. Er schritt weiter durch die Reihen der Bedürftigen, die beiden Körbe voller Brotlaibe, die in ihrer Härte und Trockenheit kaum mehr als ein schwacher Trost waren. Dennoch nahm jede Hand das Brot dankbar entgegen.

 „Hier, nimm“, sagte Teremir zu einem alten Mann, dessen eingefallene Wangen und hohle Augen die Härte des Winters verrieten. „Möge es dir ein wenig Kraft schenken.“ Der Alte murmelte ein leises „Danke“, bevor er sich mit zitternden Händen daran machte, das Brot in kleine Stücke zu brechen. Teremir setzte seinen Weg durch die zusammengesunkenen Menschen fort, sein Herz schwer von der allgegenwärtigen Not.

Die Nacht legte sich immer tiefer über Talfurt und die Kälte wurde schneidender. Teremir wusste, dass seine Bemühungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein waren, aber er konnte nicht anders, als weiterzumachen. Die Erinnerung an den Phoenix Barden, den gefallenen Helden, brannte in seinem Herzen wie eine Flamme, die ihn antrieb. „Möge dein Opfer nicht umsonst gewesen sein“, murmelte Teremir leise vor sich hin, während er weiter durch die Reihen der Menschen ging, das letzte Brot verteilend. Er wusste, dass der wahre Kampf noch bevorstand, doch in dieser Nacht, unter dem düsteren Himmel, war jeder kleine Akt der Freundlichkeit ein Licht in der Dunkelheit. Stunden vergingen wie in jeder Nacht und erschöpft ließ sich Teremir an einem der Lagerfeuer nieder. Die Flammen warfen tanzende Schatten auf die vom Leid gezeichneten Gesichter der Menschen um ihn herum. Plötzlich erklang eine laute Stimme von der anderen Seite des Feuers.

„Er wird nicht wiederkommen!“, sagte ein junger Mann in zerfetzten Lumpen, sein Gesicht schmutzig und verzweifelt. „Wir sind alle verdammt, hier unter dem Eis zu sterben. Unsere Kinder, unsere Alten und wir werden hier draufgehen für ein Märchen und für einen verdammten Phoenix, der nicht wiederkehrt“, brüllte er in die Flammen. „Seraphin, mein Junge“, seufzte Teremir und sah den jungen Mann über die Flammen hinweg und mit müden Augen an. „Beruhige dich bitte und schone deine Kräfte.“„Ich soll mich beruhigen, Herr Teremir? Wann wollt Ihr der armen Saraja sagen, dass ihr Kind vor drei Tagen erfroren ist und sie eine Leiche in den Fellen herumträgt?“ Seraphins Worte hallten durch die Nacht, wie ein unheilvolles Echo, das sich in den Herzen der Anwesenden festsetzte. „Du lügst, Seraphin! Maika lebt! Sie ist nur müde und muss sich ausruhen!“, rief die Frau namens Saraja schrill dem jungen Mann entgegen. Ihre Stimme zitterte, eine Mischung aus Hoffnung und Wahnsinn. Sie streichelte dem kleinen Mädchen über die schönen braunen Locken, rieb mit ihren Händen am starren kleinen Körper und versuchte verzweifelt Leben in die kalten Glieder zu bringen. Die Tränen strömten unaufhaltsam über ihre Wangen, während sie unaufhörlich murmelte: „Wach auf, mein Schatz, wach auf.“

Teremir senkte den Blick, unfähig die Wahrheit auszusprechen, die in Seraphins Worten lag. Die Hoffnung, die in ihren Augen glomm, war ein zerbrechlicher Faden, an den sie sich klammerte und er konnte es nicht übers Herz bringen, diesen Faden zu zerschneiden. „Seraphin“, sagte Teremir leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern im Wind. „Manchmal ist die Wahrheit zu schwer, um sie zu tragen. Lass sie noch ein wenig hoffen.“ Die Worte hingen in der kalten Luft und für einen Moment schien die Welt stillzustehen. Dann wandte sich Seraphin ab und ließ dabei die Schultern hängen. Das Lagerfeuer knisterte weiter, ein schwaches Symbol für die verbliebene Hoffnung in einer Welt, die von Dunkelheit und Kälte umhüllt war. Teremir neigte sich vor, ein leichter Seufzer entwich seinen Lippen, während er sich mühsam erhob. Seine Schritte waren bedacht, als er sich durch die Dunkelheit bewegte, sein Blick auf die einsame Frau gerichtet, deren Umrisse im flackernden Licht des Feuers schwach zu erkennen waren.

Als er schließlich neben ihr stand hörte er  Saraja flüstern. „Es wird alles wieder gut, Maika. Mama ist bei dir. Du musst dich nur etwas aufwärmen. Dann gehen wir nach Hause und spielen mit deinen Brüdern fangen, ja? Das spielst du doch so gerne. Sie freuen sich schon so darauf“, flüsterte die Frau dem kleinen, leblosen Mädchen zu. Ihre Stimme zitterte, während sie sanft über die kalten Locken strich, ihre Worte durchdrungen von verzweifelter Hoffnung. Es herrschte eine bedrückende Stille nur unterbrochen durch das Knistern des Feuers, ein melancholisches Lied in der Stille der Nacht. Die Menschen um das Feuer blickten bedrückt zu Boden und dachten an ihre eigenen Verluste, ihre eigenen Kämpfe, alle verbunden durch das unsichtbare Band des gemeinsamen Leids. Teremir blickte Saraja ins Gesicht, in ihre gebrochenen Augen, die dennoch an einer letzten Hoffnung festhielten. Er wollte etwas Tröstendes sagen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Stattdessen legte er ihr eine Hand auf die Schulter, eine stumme Geste des Mitgefühls und der Solidarität.

Die Flammen flackerten, und der Wind trug das leise Summen der Frau davon, als sie ihr Wiegenlied fortsetzte. Inmitten der Finsternis, in einem Land, das von eisiger Kälte gefangen gehalten wurde, kämpften die Menschen von Talfurt weiter, jeder auf seine Weise. Doch in dieser Nacht, am Rande des Lagerfeuers, waren sie nicht allein in ihrem Schmerz. Und manchmal, dachte Teremir, war das alles, was sie noch hatten: Ein kleines bisschen Wärme, ein Hauch von Gemeinschaft und das schwache, flackernde Licht der Hoffnung. „Seht Ihr, Herr Teremir?“, sagte Seraphin nun dicht hinter ihm. „Wo ist der Erlöser? Wo ist der, ach so tolle Phoenix Barde jetzt?“, fügte er erbost hinzu. „Wo war er, als Maika für immer eingeschlafen ist?“, sagte er und trat bei ein Holzscheit in die Glut. Teremir seufzte tief, die Last der Jahre und der Enttäuschungen auf seinen Schultern. „Er liegt begraben. Dort vor dem Klingengebirge in seinem steinernen Grab.“ Seraphin schüttelte resignierend den Kopf. „Jede Woche versammeln wir uns und singen diese Lieder. Wir beten dafür, dass er aufersteht. Aber nichts passiert. Ich sage, wir müssen jetzt aufstehen. Wir müssen dem Rabenkönig und seinem Schattenheer die Stirn bieten. Wir müssen kämpfen! Für Maika, für die Menschen hier und jeden anderen.“ Die Worte Seraphins hallten in den Köpfen der Anwesenden wider, ein Funke des Widerstands inmitten ihrer Verzweiflung. „Seraphin“, begann Teremir, seine Stimme leise, aber fest, „ich verstehe deinen Zorn, das tue ich wirklich, wir alle leiden unter der Herrschaft des Rabenkönigs. Doch ein Angriff ohne Plan, ohne Führung, wird uns alle ins Verderben stürzen. Wir müssen klug handeln.“ „Klug handeln?“, fauchte Seraphin zurück. „Wie lange sollen wir noch warten? Bis auch die letzten von uns tot sind?“ Ein Klatschen unterbrach den Streit. Abfällig klatschte ein alter Mann in die Hände und ging auf Seraphin zu. Sein genaues Alter war schwer zu sagen, doch seine Haare waren grau und ein struppiger Bart wehte im Wind. Trotz seines offensichtlichen Alters bewegte er sich geschmeidig, was nicht so recht zu seinem Erscheinungsbild passte. Mit schwarzen Augen, in denen sich das Feuer spiegelte, war kurz etwas Raubtierhaftes zu erkennen, als er sagte: „Mein junger Freund, ich teile deine Ansicht. Aber ich wusste gar nicht, dass du ein so großer Krieger bist. Wie viele Menschen sind bereits durch deine Klinge gefallen?“

Seraphin stammelte leise. „Ich besitze keine Klinge.“ Der alte Mann spottete: „Ach so. Dann nehme ich an, du möchtest den Rabenkönig überzeugen, das Eis schmelzen zu lassen?“ „Nein, das… das ist nicht… ich meine, natürlich müssen wir… auf jeden Fall“, murmelte Seraphin, während er seinen Gedanken zu sortieren versuchte. „Ich sehe schon“, lächelte der alte Mann vielsagend. „Es scheint, als hättest du nicht bis zum Ende gedacht, hm? Keiner von euch weiß, wie dieses Monster gestoppt werden kann. Der Rabenkönig empfindet keinen Schmerz. Er ist ein Schatten ohne Seele, mit einem eiskalten Herz. Schwarze Magie hat ihn beschworen, und ihr habt nicht einmal vernünftige Waffen, um gegen sein Heer der Schatten anzutreten. Ihr werdet alle sterben, bevor ihr auch nur in die Nähe seines goldenen Knochenthrons gelangt!“ Teremir trat entschlossen vor den alten Mann. „Gibt es also keine Hoffnung?“, fragte er besorgt. Der alte Mann blickte in Richtung des Klingengebirges und sprach nicht ganz ohne feierlichen Unterton „Es gibt Hoffnung. Aber jemand muss mich zum Grab des Phoenix Barden bringen.“

„Und dann, alter Mann? Was wollt ihr an diesem Grab?“, fragte Seraphin, der seinen Mut mittlerweile wiedergefunden hatte. Ein feierliches Lächeln zierte die Lippen des alten Mannes, als er mit lauterer Stimme als zuvor antwortete: „Dann werde ich den Phoenix Barden zurückholen und ihn auferstehen lassen!“ Ein lautes Raunen und Gemurmel erfüllten die Luft, als die Worte des alten Mannes die Runde am Feuer erreichten. Herr Teremir seufzte unüberhörbar und brachte mit zusammengebissenen Zähnen seinen Missmut zum Ausdruck: „Das Letzte, was diese Menschen jetzt brauchen, ist ein Geschichtenerzähler mit einer blühenden Fantasie!“ Ohne weitere Worte schritt der alte Mann zu der Frau, die immer noch summend ihr lebloses Kind in den Armen hielt. Er verharrte vor ihr, seine Miene ernst, mit gerunzelter Stirn, seinen Kopf zur Seite gelegt, bevor er sie ansprach und dabei mit einem Finger auf das regungslose Kind deutete. „Maika, richtig?“, fragte der alte Mann. Die Frau nickte verwirrt. „Ja, Herr.“ Er nickte wissend. „Und du bist Saraja, oder?“, fügte er lächelnd hinzu. Verblüfft antwortete Saraja: „Ja, das stimmt, Herr. Woher kennt ihr meinen Namen?“ Ohne auf ihre Frage einzugehen, betrachtete der alte Mann Saraja nun eingehender. „Saraja, alles, was beginnt, muss auch ein Ende finden. Der Tod ist beides: ein Anfang und ein Ende, ein Gleichgewicht in sich. Der Tod wird immer ein Gegengewicht fordern oder bringen. Und nun sag mir, Saraja, Tochter des Velian und der Agathe, was gibst du als Gegengewicht für Maikas Tod?“ Tränen rannen Saraja über die Wangen. „Alles! Ich würde alles geben!“, schluchzte sie flehend.

Der alte Mann nickte verständnisvoll und legte seine Hand auf ihren Bauch. „Ein Kind wächst in dir heran. Das blühende und volle Leben“, verkündete er mit beinahe erregter Stimme. Plötzlich durchzuckte Saraja ein Schmerz, der sie aufschreien ließ. Sie begann sich zusammen zu kauern und legte ihre Hände schützend um ihren Unterleib. Doch schon begann sich ihre Hose rot zu färben und eine blutige Pfütze sammelte sich auf dem Boden. Entsetzt schrie Herr Teremir: „Was habt ihr getan?“ Unter den angsterfüllten Augen der Mutter tunkte der alte Mann seinen Finger in das sich am Boden sammelnde Blut. Dann hob er seinen Arm und strich etwas davon auf die Stirn des Kindes.

Ein zorniger Ruck ging durch die Versammelten und einige griffen bereits nach ihren Knüppeln, als sich plötzlich Maikas Mund öffnete und ein schwaches leises Wimmern erklang.  

Teremir blieb wie angewurzelt stehen, während sich sein Mund trocken anfühlte und er geschockt die Szene beobachtete. Der alte Mann erhob sich und wandte sich zu ihm um.“Ich nahm und ich gab, Herr Teremir.“, sagte er. „Und jetzt stellt mir eine Expedition zusammen. Ich muss einen Phoenix zurückholen“, verkündete der alte Mann mit lauter Stimme und festem Blick.

Wie geht es weiter?